Geschichte – zur Kirmes oder des Kirchweihfestes

Allgemeines zur Kirmes oder des Kirchweihfestes

von Antje Röhler

Die Kirmes ist ein bekanntes Volksfest in Thüringen. Sie ist vom Ursprung her ein weltliches Fest und ist auf ein altes vorchristliches Herbstfest zurückzuführen. Auf dem Kirmesfest wurde über Abschluss der Kornernte und Weidezeit Gericht gehalten. Viel später wurde daraus erst das Kirchweihfest als Erinnerung an die Kircheneinweihung.

Beim Kirmesfest wurde eine Art Rechenschaft über das ganze Dorf abgelegt. Heute geschieht dies in der Kirmespredigt, bei der einige Einwohner des Dorfes ordentlich aufs Korn genommen werden. Die Kirmes wurde erst gefeiert, wenn der größte Teil der Ernte eingebracht wurde, also Ende September oder Anfang Oktober.

Kirmes in Dillstädt im Wandel der Zeit

Die 1920iger bis 1940iger Jahre des Zwanzigsten Jahrhunderts

Die Kirmesfeiern fanden in dieser Zeit am 18. Trinitatessonntag ( 19. Sonntag nach Pfingsten) statt. Am Sonnabend versammelte sich die Jugend in der Gaststätte „Beizapfen“, denn hier wurde die Kirmes angetrunken. Schon ein paar Wochen vorher wurden auf den Kirmesversammlungen die Organisation der Kirmes besprochen und Scholz, 2 Platzmeister (für zwei Säle, im „Beizapfen“ und in der „Henne“) und 1 Kassierer festgelegt. Die Kirmesburschen wählten ihre Bräute aus. Am Sonnabendabend war Kirmesantrinken und der Sonntag begann mit einem Gottesdienst. Die Kirmesgesellschaft ging geschlossen in die Kirche. Mit der Machtergreifung des NS- Regimes wurde dieser Kirchgang verboten. Am Sonntag fand ebenfalls der große Kirmesumzug statt. Kurz vor dem Umzug standen die Mädchen im Saal im Kreis. Die Jungen kamen und wählten ihre Kirmesbraut aus. Anschließend zog die Kirmesgesellschaft in schönen Trachten mit den Musikanten durch das Dorf. Später wurden die Trachten durch extra für diesen Tag angefertigte Kirmeskleider ersetzt. Der Sonntag endete wieder mit einem Kirmestanz und am Montagmorgen zog die Kirmesgesellschaft von Haus zu Haus und brachte zusammen mit der Musikkapelle den Anwohnern ein Ständchen. Die Dorfbewohner zahlten dafür einen kleinen Opulus. Während der Ständchen schlichen sich einige Kirmesburschen zu den ortsansässigen Bauern und klauten etwa 8 bis 10 Hähne (Göger). Der Kopf eines Hahnes wurde beim „Gögerschlagen“ unter den Topf gelegt. Abends war wieder Kirmestanz. Schlittenfahrt und Hahnenschlag, welche am Dienstag stattfanden waren die Höhepunkte der Kirmestage. Ein großer Pferdeschlitten wurde an einem langen Heuseil, an dem Holzgriffe befestigt waren bereitgestellt. Auf dem Schlitten kam ein volles Holzfass mit Bier. Darauf setzte sich der Kirmesscholz. Den Schlitten zogen nun die Kirmesmädchen durch das ganze Dorf über Stock und Stein und durch den Fluss „Hasel“ mit dem Ziel, den Kirmesscholz herrunter zu werfen. Wenn dies geschah musste er nämlich das Fass Bier bezahlen. Anschließend wurde der Schlitten auf die Wiese gezogen, wo die Mütter der Kirmesburschen und –mädchen schon mit trockenen Sachen warteten. Durch die Wasserfahrt waren ja alle nass bis auf die Haut. Nun begann das Hahnenschlagen. Der gestohlene „Gögerkopf“ wurde unter einen Topf gelegt. Die Kirmesmädchen wurden nun von den Burschen gedreht und herumgeschleudert. Sie mussten mit verbundenen Augen und mit einem Dreschflegel bewaffnet den Topf treffen. Dabei durften sie drei Schritte auf den Topf zugehen. Angefeuert durch das Publikum fanden die Kirmesmädchen meistens den Topf recht schnell, denn sie hatten nur drei Versuche ihn zu treffen. Danach fand das Spiel „Hans, wo bist du“ statt. Dabei wurde ein Holzpfahl in die Mitte der Wiese in die Erde geschlagen. Daran kamen ein langes und ein kürzeres Heuseil. An das lange Seil wurde ein Kirmesbursche gebunden, welcher die Augen verbunden hatte und zwei dicke Stöcke in die Hand bekam. Am kürzeren Seil war ein anderer Bursche, ebenfalls mit verbundenen Augen und einem Reisigbesen angebunden. Der Bursche mit den Hölzern hockte sich hin und schlug die Stöcke aufeinander. Der Bursche mit dem Besen hörte und versuchte seinen Gegenspieler mit dem Besen zu erwischen und zu verhauen.

Nach der Schlittenfahrt mussten die Mädchen, die den „Göger“ geschlagen hatten, die geklauten Hähne braten und Klöße kochen.

Am Abend fand das Kirmesbegräbnis statt. Dabei wurde der Kirmesscholz auf einen „Schröh“ gelegt und in den Saal getragen. Vor der Kirmesleiche auf dem „Schröh“ lief ein Kreuzträger, das Kreuz war ein Saalbesen mit Schnapsflaschen daran befestigt. Die Kirmesleiche durfte nicht lachen, sonst musste sie eine Runde Schnaps bezahlen. Die Kirmesgesellschaft ging als Trauergemeinde hinterher. Nun wurde die Kirmespredigt von einem Kirmesburschen vorgelesen, der als Pfarrer verkleidet war. Das Publikum erfuhr, was sich im Laufe des Jahres im Dorf zugetragen hatte. Um 0.00 Uhr endete die Kirmes für die Jugend. Die jung verheirateten Paare kauften die Kirmes ab. Scholz, Platzmeister und Kassierer gaben ihre Ämter an die verheirateten Männer weiter.

Nun wurden zusammen mit den Musikanten und den Helfern die geklauten „Göger“ gegessen. An den Kirmestagen herrschte im Dorf lustiges Treiben. Karussells, Luftschaukeln, Schießbuden und Zuckerstände waren aufgebaut, was besonders die Kinder erfreute.

Während des Zweiten Weltkrieges fand keine Kirmes statt. Sie wurde erstmals wieder 1946 gefeiert. Kurt Z. war in diesem Jahr der Scholz. Bei der Schlittenfahrt stürzte er so unglücklich, dass er ins Krankenhaus gebracht werden musste. Als Ersatzscholz stieg Volkmar Sch. auf den Schlitten. Die Kirmesgesellschaft zog nun vorsichtig und etwas traurig den Schlitten bis zur Wiese.

Anfangs diente der alte Sportplatz an der „Rüsse“ als Platz zum Hahnenschlagen, danach die Wiese wo jetzt das Wohnhaus von Familie K. steht und später war es die Wiese daneben.

Die 1950iger bis 1970iger Jahre des Zwanzigsten Jahrhunderts

In diesem Zeitraum fand die Kirmes auch Ende September bzw. Anfang Oktober statt, ebenfalls am 18. Sonntag nach Trinitatis. In den Kirmesversammlungen, die ebenfalls schon Wochen vorher stattfanden, wurden die Kirmesgesetze festgelegt. Einige möchte ich niederschreiben.

  1. Mädchen durften ab dem 16. Lebensjahr und Jungen ab dem 18. Lebensjahr an der Kirmes teilnehmen.
  2. Wer zur Kirmesversammlung zu spät kommt muss Strafliter bezahlen. Das heißt pro 5 Minuten wird ein Liter Bier gerechnet, der bezahlt werden muss.
  3. Kirmesmädchen haben beim Tanz freie Wahl.

Die Kirmes begann am Freitag. Die Burschen schmückten den Saal in der Gaststätte „Zur Henne“ mit Tannenbäumchen. Abends wurde die Kirmes angetrunken und dabei die Kirmespaare offiziell bekanntgegeben. Kirmesschulz und Platzmeister wurden ebenfalls gewählt. Am Samstag fand der erste Kirmestanz statt und am Sonntagnachmittag war großer Umzug. Dabei trugen die Kirmesbräute ihre eigens dafür geschneiderten neuen Kleider. Die Burschen trugen einen Anzug. Abends war dann der zweite Tanzabend. Am Montagmorgen traf sich die Kirmesgesellschaft um 9.00 Uhr mit der Kapelle. Sie zogen von Haus zu Haus und brachten jeder Familie im Dorf ein Ständchen. Diese zeigten sich mit einer kleinen Geldspende erkenntlich. Auch dieser Tag endete mit einem Kirmestanz. Am Dienstag um 14.00 Uhr fand die traditionelle Schlittenfahrt mit dem anschließenden Hahnenschlag und dem Spiel „Hans wo bist du“ statt. Dieser Brauch lief genauso ab, wie in den Jahren zuvor. Am Abend war Tanz mit anschließendem Kirmesbegräbnis. Um 0.00 Uhr betraten die Kirmesburschen im Nachthemden und die Kirmesmädchen mit Männerschlafanzügen den Saal. Ein als Pfarrer verkleideter Bursche führte den Zug an. Ein Kirmesbursche fungierte als Kreuzträger. Er trug den großen Saalbesen an dem leere Schnapsflaschen hingen. Die Kirmesleiche lag auch hier auf dem „Schröh“. Wie in den Generationen zuvor wurden die Schandtaten der Dillstädter in der Kirmespredigt ans Licht gebracht. Als nun die Kirmes begraben war, gab es ein Festschmaus für die Kirmesgesellschaft, welcher bis in die Morgenstunden dauerte.

Die 80iger Jahre des Zwanzigsten Jahrhunderts

Auch in dieser Zeit wurde die Kirmes schon Wochen vorher in den Kirmesversammlungen vorbereitet. Dort ging es immer recht lustig zu. Lieder, wie „Es ging ein Mönch die Treppe rauf“ oder „Die alten Germanen“ wurden gesungen. Auch kleine Spiele wurden gespielt. Am Donnerstag wurde die Kirmes im Gesellschaftsraum der „Henne“ angetrunken. Die Röschen wurden verteilt und die Paare bekanntgegeben. Auch Kirmesschulze, Platzmeister und Kassierer wurden gewählt. Am Freitagmorgen gingen die Jungs in den Wald und holten Reisig, mit dem sie den Eingang der Gaststätte schmückten. Am Abend war der Eröffnungstanz. Am Samstagmorgen wurden Ständchen gemacht. Nachmittags fand der Umzug statt, bei dem die Mädchen und Burschen ihre neuen Kleider und Anzüge trugen. Anschließend war Kindertanz. Der Sonntag war der Höhepunkt der drei Kirmestage. Früh morgens zog die Kirmesgesellschaft nochmals zum Ständchen machen durchs Dorf, da man am Samstag meistens nicht zu allen Familien kam. Die schon beschriebene Schlittenfahrt fand am Nachmittag statt. Getroffen wurde sich im Wirtshof. Eigentlich darf ein Kirmesbursche nur einmal Scholz sein, doch 1988 wurde eine Ausnahme gemacht. Günther H., genannt „Otto“ hatte in diesem Jahr 10 Mal in Folge Kirmes mitgemacht. Er durfte deshalb nochmals als Scholz auf dem Fass des Schlittens sitzen. Natürlich wurde nach der rasanten Schlittenfahrt durchs Dorf auf der Wiese (immer noch auf der gleichen) der Hahn geschlagen und „Hans wo bist du“ gespielt. Am Abend war wieder Tanz mit dem Kirmesbegräbnis. Am Montagabend versammelte sich die Kirmesgesellschaft in der „Henne“ zum Klöße essen.

In den Jahren 1990 und 1991 fand leider keine Kirmes statt, da sich niemand von den Jugendlichen bereiterklärte diese zu organisieren. 1992 riefen die verheiraten Paare die Kirmes wieder ins Leben. Zum ersten Mal fand diese in einem Festzelt auf dem „Platz der Deutschen Einheit“ statt. Die verheirateten Paare veranstalteten die Kirmes auch 1993 und zogen nach und nach die Jugendlichen ran, bis diese den Brauch wieder ganz in den Händen hatten.

Was noch wissenswert ist

Kirmesröschen:
In den früheren Jahren nähten die Kirmesmädchen die Röschen für sich und ihren Kirmesburschen selbst. Die Burschen hatten zusätzlich ein Bändchen am Röschen. Vor dem Umzug wurden die Kirmesröschen von den Mädchen ihren Kirmesburschen angesteckt. Außerdem trugen die Kirmesmädchen jeden Tag ein andersfarbiges Röschen im Haar.
Schärben:
Der Kirmesscholz hat eine Schärbe mit 3 Streifen, rot- weiß- rot. Die Platzmeister haben eine Schärbe mit 2 Streifen, rot- weiß. Auch die Kirmesobrigkeit trug ein Kirmesröschen.
Platzmeister:
Die Platzmeister standen im Saal auf einem Stuhl und gaben Extratouren. Sie hoben während des Tanzes ihren Arm mit dem Kerbholz und zeigten der Kapelle die Extratour an. Diese spielte einen Tusch. Danach zeigten sie auf das entsprechende Pärchen. Dieses wurde in einen Kreis eingeschlossen und tanzte. Am Ende der Extratour gab es einen Schluck aus der Löppe. Der Tänzer gab einen kleinen Opulus in die Kirmeskasse.
Kerbholz und Löppe:
Das Kerbholz besteht aus 2 Teilen, die zusammen passen. Den 1. Teil hat der Platzmeister und den 2. Teil hat der Wirt. Beim Füllen der Löppe mit Bier durch den Wirt, wurde eine Kerbe über beide Teile gefeilt. So wurde früher nach der Kirmes das Bier beim Wirt abgerechnet. Die Löppe besteht aus Holz mit Deckel und Griff. Innen wurde sie von der Brauerei jedes Jahr ausgebecht, so wie die Holzfässer. So war die Löppe dicht. Später stellte man diese mehrere Tage ins Wasser, so dass das Holz aufquoll. Auf der Löppe ist § 11 aufgemalt. Auch die Seiten sind bemalt und die aktuelle Jahreszahl wurde aufgebracht. Der Schlachtruf „14/15 Kermes“ ist ebenfalls aufgedruckt. Das Fassungsvermögen ist in der Regel gut 1 Liter Bier.